Sequenzanalyse zu dem Film "Hudsucker - der große Sprung"

Ausgefertigt von
Birgit Pattberg (b.pattberg (bei) tu-bs.de) (bp)
Katja Kielhorn (k.kielhorn (bei) tu-bs.de) (kk)
Stefan Behnel (sub (bei) bigfoot.de) (sb)

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Subsequenz 0.1 - Die Erzählersequenz
  3. Subsequenz 0.2 - Die Title-Credits
  4. Norville Barnes in Sequenz 1
  5. Die Konferenz in Sequenz 1
  6. Die Parallelmontage von Norville Barnes und Waring Hudsucker
  7. Zusammenfassung

Einleitung (sb)

Der Film (Originaltitel: "The Hudsucker Proxy") entstand im Jahre 1994 unter der Regie von Joel Coen. Hierbei handelt es sich um eine leicht märchenhaft anmutende amerikanische Komödie, in der auch Elemente des Slapstick oder Screwball Verwendung finden. Sie erzählt von einem naiven jungen Mann, der im New York der späten fünfziger Jahre nach dem Ableben des Präsidenten von "Hudsucker Industries" dessen Posten übernimmt ohne sich dabei seiner wirklichen Rolle bewusst zu sein: Mit ihm als Strohpuppe soll der Konzern heruntergewirtschaftet und anschließend billig aufgekauft werden. Doch Genre-gerecht läuft natürlich nichts so wie geplant und dank einer genialen Erfindung muss Norville nun lernen mit seinem plötzlichen Erfolg, seinem betrogenen Gegenspieler und Konzern-Vizepräsident Mussburger sowie einer verdeckt recherchierenden Journalistin fertig zu werden. Trotz einiger sicherlich unerwarteter Wendungen läuft aber alles auf ein gutes Ende hinaus und auch eine begleitende Liebesgeschichte darf dabei natürlich nicht fehlen.

Der dieser Analyse zu Grunde liegende Ausschnitt des Films besteht laut Vorgabe aus zwei Sequenzen. Er beinhaltet die Eröffnungssequenz (Sequenz 0) und somit die Einführung des Betrachters in das Geschehen. Dieser erfährt hier durch eine Erzählerstimme Ort und Zeit der Handlung und erlebt dann in der nachfolgenden Sequenz den Beginn der als Rückblende initiierten Haupthandlung. Die Trennung erfolgt dabei auch nach außen hin ersichtlich durch die Einblendung der Title-Credits.

Dabei tritt auch bereits der Hauptcharakter Norville Barnes in Erscheinung. In Sequenz 1 werden seine ersten desillusionierenden Erfahrungen mit der Arbeitssuche in der Großstadt New York gezeigt, wobei seine Stimmungsschwankungen ausgiebig dokumentiert werden. Hierbei ist es interessant zu untersuchen, auf welche Art und Weise diese für Wirkung und Handlung des Films wesentliche Person vorgestellt wird. Dazu wird zusammengetragen, was der Zuschauer bereits in diesem frühen Teil des Films über ihn und den weiteren Verlauf der Handlung erfährt und mit welchen Mitteln dem Zuschauer die inneren Zustände Norvilles veranschaulicht werden.

In Parallelschnitten dazu wird eine Konferenz in der Führungsetage des gigantischen Hudsucker-Konzerns vorgeführt, bei der eine Quartalsbilanz gezogen wird. Analysiert wird hier die Darstellung der Konferenz und ihrer Teilnehmer, insbesondere die des Präsidenten Waring Hudsucker. Dieser nimmt sich bereits am Ende dieser Sequenz durch einen für den Zuschauer unerwarteten und aufwendig ausgemalten Fenstersturz das Leben.

Da durch Hudsuckers Fenstersprung und Norvilles Weg in den Konzern bereits in dieser Sequenz die Grundlagen für Norvilles Aufstieg in dem Konzern gelegt werden, liegt auch ein Aspekt der Analyse auf der filmischen Vorbereitung dieses Führungswechsels in Musik, Kameraführung und Schnitttechnik. Dabei wird insbesondere eingegangen auf die parallele Darstellung der Handlungen Norvilles und der Konferenz sowie auf die Montage dieser beiden Handlungsstränge.

Subsequenz 0.1: Exposition (bp)

Im Folgenden werde ich mich näher mit dem Aufbau und der Funktion der den Film einleitenden Exposition befassen. Dabei soll besonders die Stimme des Erzählers und deren Zusammenspiel mit dem Bild und der Situation berücksichtigt werden.

Als erstes Bild wird eine Stadt in der Supertotalen gezeigt. Im Hintergrund ist die "Skyline", im Vordergrund Wasser zu sehen, es ist Nacht und es schneit. Der Erzähler schildert diese Stadt als New York im Jahre 1958. Seinen ersten Worte "Ja, genau - New York!" kann man entnehmen, dass er davon ausgeht, dass der Zuschauer die New Yorker Skyline sofort wiedererkannt haben sollte. Es sei in ein paar Minuten Silvester und die Leute amüsierten sich und seien voller Hoffnung für ein turbulenteres, fröhlicheres 1959. Der Erzähler macht also allgemeine Angaben zu Ort, Zeit und Stimmung und liefert somit einen sehr groben Hintergrund für die folgende Geschichte.

Als visuelle Grundlage dient immer noch die Stadt, in der sich die Kamera nach einem kaum bemerkbaren Schnitt in der Supertotalen mit Aufsicht über die Dächer der Wolkenkratzer hinweg bewegt. Ein zweiter Schnitt unterbricht diese Bewegung jedoch nicht, sondern versetzt die Kamera nur an eine andere Stelle über den Dächern.

Bisher waren die Bilder allenfalls nebensächlich und lieferten keine direkten Hinweise auf die nachfolgende Handlung.

Aber jetzt werden die Bilder konkreter. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird relativ unbewußt auf bestimmte Sachen gelenkt, die im weiteren Verlauf vom Erzähler oder von präzisierenden Bildern aufgegriffen werden.

Während eines Schwenks nach rechts kommt ein Gebäude zum Vorschein, das heller angestrahlt ist als die übrige Umgebung und in dessen Richtung eine Fahrt einsetzt.

Nach den Worten "Jeder ist glücklich [...]" geht in den beiden Fenstern links neben der großen Uhr Licht an. Es ist das erste Anzeichen menschlichen Lebens in dieser Stadt. Die zuvor vom Erzähler erwähnten feiernden Menschen oder die "Klänge[ ] von Guy Lombardo" waren dagegen in keiner Weise wahrzunehmen.

Ohne die Fahrt zu unterbrechen, wird in eine nähere Einstellung übergeblendet, so dass die Schrift oberhalb ("Hudsucker Industries") und unterhalb ("The Future is now") der Uhr zu lesen ist. Dem Gebäude wird damit eine konkrete Bedeutung durch eine visuelle Information beigemessen.

Der Erzähler erklärt dem Zuschauer, was man in New York unter der "Rattenjagd" versteht. Bei den Betroffenen handele sich um "ein paar verlorene Seelen", denen die Lust am Feiern genommen wurde und die keinen Wert auf das neue Jahr legten. Die Kamera orientiert sich immer mehr nach links, wo nach den Worten "Keine Hoffnung, keinen Halt, keine Zeit" ein Mann mit Schürze im linken Fenster erscheint.

Ab hier stimmen Erzählung und Bilder überein.

Der Erzähler identifiziert den gezeigten Mann ("Das da oben ist Norville Barnes") und teilt dem Zuschauer mit, dass dieser Präsident von Hudsucker Industries ist. Er scheint ein Opfer der "Rattenjagd" ohne Hoffnung, Halt und Zeit zu sein, denn er klettert auf das Fensterbrett, drückt sich zwischen beiden Fenstern mit dem Rücken dazu an die Wand und blickt ängstlich in die Tiefe.

Während Norvilles ängstliches Gesicht in einer halbnahen Aufnahme zu sehen ist, spricht der Erzähler die Fragen aus, die sich dem Zuschauer eigentlich automatisch aufdrängen: Wie er Präsident geworden ist, wieso er jetzt so verzweifelt ist, dass er vom Hochhaus springen will, und ob er wirklich springen wird? Diese Fragen resultieren aus den gegebenen Widersprüchen von z.B. Präsident und Schürze, ganz oben sein und unten fühlen.

Danach schwenkt die Kamera nach rechts zu einer Nahaufnahme der Uhr, die auf den Gongschlag zwölf Uhr zugeht. Der Erzähler sagt: "Tja, die Zukunft. Über die Zukunft wird man wohl nie etwas genaues sagen können. Aber über die Vergangenheit - das ist eine andere Geschichte." Er leitet damit den Film ein und aufgrund der vorher aufgeworfenen Fragen, die der Zuschauer beantwortet haben möchte, bleibt auch eigentlich keine andere Wahl, als die Vorgeschichte zu klären, um das Ende erzählen zu können. Mit der Nahaufnahme der Uhr wird der angesprochene Zeitaspekt und der nachfolgende Zeitsprung, der statt Silvesterfeuerwerk einen Sternenhimmel zur Abgrenzung benötigt, betont. Außerdem wird die große Gebäudeuhr eingeführt, die später noch durch Moses, der übrigens unser Erzähler ist, eine Bedeutungserweiterung erfahren soll. Das Zeitelement zwölf Uhr soll ebenfalls noch mehrfach aufgegriffen werden, z.B. wenn Waring Hudsucker am Ende der Sequenz 1 aus dem Fenster springt.

Der Erzähler ist zu Anfang des Films für den Betrachter noch kein erkennbarer Teil der Handlung. Seine Art des Berichtes erinnert an einen "Märchenonkel". Er wirkt unbeteiligt und distanziert. Wenn er die "Rattenjagd" erklärt, wird seine Stimme aggressiver und zeigt Verärgerung über das Verhalten der Menschen untereinander, was eine Abgrenzung von ihnen nahelegt. Ansonsten scheint er eher ein bisschen amüsiert zu sein. Er lacht sogar zweimal, so wie jemand, der etwas besser weiß und über die Dummheit der anderen lacht.

Sowohl die Erzählung als auch die Bilder entwickeln sich vom Allgemeinen zum Bestimmten. Sie existieren zuerst relativ unabhängig voneinander und ergänzen sich dann gegenseitig. Umso mehr sie zusammenspielen, desto größer ist der direkte Bezug zur Handlung. Die ganze Exposition wird von gleichbleibender Musik untermalt, so dass der verträumte, märchenhafte Eindruck unterstützt wird.

Insgesamt dient die Exposition der Einführung in Ort, Zeit und Stimmung und sie stellt den Hauptcharakter so vor, dass weiteres Interesse an seiner Person und seinem Werdegang beim Zuschauer geweckt wird. Damit ist der Grundstein für die Geschichte um Norville Barnes Aufstieg und Fall gelegt.

Subsequenz 0.2: Titel - Credit / Schauspieler (kk)

In unserer zu bearbeitenden Sequenz ist auch der Titel- Credit enthalten. Da die ersten Sequenzen den Zuschauer in einen Film einführen sollen, hat der Titel- Credit auch seine Wirkung auf den Zuschauer, die nicht zu unterschätzen ist. Manche Zuschauer gehen nur ins Kino, weil ein bestimmter Schauspieler in diesem Film mitspielt. Man kann also mit einem sogenannten Star einen Film zum Erfolg führen. Deshalb möchte ich den Fragen nachgehen:

Wurde in "Hudsucker" auf den richtigen Star gesetzt? Wurden auch die Nebenrollen gut besetzt? Oder sollte dieser Film gerade dadurch brillieren, dass er keinen großen Star hat?

Mit Zuschauerzahlen kann man diese Fragen sicher nicht beantworten. Da hierfür wieder ganz andere Bedingungen (Variablen) gelten! Aber die Reihenfolge im Titel- Credit verrät z.B. wer die Hauptrolle spielt, da dieser fast immer als Erster aufgeführt wird. Und genau nach dieser Reihenfolge in "Hudsucker" möchte ich über die Schauspieler diskutieren.

In "Hudsucker" folgt nach der Erzählersequenz der Titel- Credit. Die ruhige Musik und der Nachthimmel mit Schneeflocken gehen mit in den Titel- Credit über. Durch die eintönige Musik und dem dunklen Hintergrund, vorne ist nur ein "H" und der fallende Schnee zu sehen, wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die nun folgenden Namen der Schauspieler gelenkt.

Als erster Name erscheint im Vordergrund "Tim Robbins", er spielt somit die Hauptrolle. Die Zuschauer kennen ihn hauptsächlich aus Komödien und auch sonst aus Filmen, in denen er eine witzige Rolle gespielt hat. Er wurde 1958 geboren und spielt seit Anfang der 80er Jahre in TV- und Kinofilmen mit. Er versucht sich ab 1992 nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Regisseur, Autor und Produzent. Seine letzten Filme vor "Hudsucker" waren beides Komödien: 1992 "The Player" und 1993 "Short Cuts". Für "The Player" gab es einen Golden Globe und eine Auszeichnung in Cannes für ihn. Und im selben Jahr wie "Hudsucker" entstanden "I.Q." und "Pret- a- Porter", auch beides Komödien. Man kann also sagen ,dass Tim Robbins bewusst für die Rolle des Norville Barnes ausgesucht wurde, weil man von seinem komischen Talent überzeugt war. Er verkörpert eine Person, die kindlich naiv und liebenswert ist, und etwas tolpatschig durchs Leben zieht. Die Zuschauer wurden damit nicht überrascht. Wer Tim Robbins mochte und deshalb in diesen Film ging, bekam genau das, was er erwartete. Eine Rolle, die ihm wie auf den Leib geschnitten scheint.

Ganz im Gegensatz zu "Jennifer Jason Leight", die eigentlich Jennifer Lee Morrow heißt und 1962 geboren wurde. Ihr Name erscheint als zweites im Titel-Credit. Ihre Schauspielerei begann sie auch Anfang der 80er Jahre, hat jedoch schon wesentlich mehr TV- und Kinofilme gedreht als Robbins. Was sicherlich auch daran liegen mag, dass sie als Produzentin erst einmal einen Film gemacht hat und ansonsten nur schauspielert. Ihr kann man kein bestimmtes Genre zuschreiben, in dem sie besonders häufig zu sehen wäre. In einem ihrer letzten Kinofilme vor "Hudsucker" spielte sie z.B. eine Psychopathin: 1992 "Weiblich, ledig, jung sucht..." (orginal: single white femal) ein Thriller. Oder 1994 in dem Stephen King - Film "Dolores" (original: Dolores Claiborne), in dem sie auch einen angeschlagenen Charakter spielt. Aber sie spielte auch 1993 in "Short Cuts" mit, wie Tim Robbins. Vielleicht war das der Ausschlag, warum sie für die Rolle der Amy Archer in Hudsucker ausgesucht wurde, eine toughe, zielstrebige und gewitzte Reporterin. Jennifer Jason Leight füllt diese Rolle grandios aus, und wurde sogar mit Kate Hepburn verglichen. Was jedoch auffällt ist, dass sie zwar als zweiter Name im Titel-Credit erscheint, was bedeutet, dass sie eine der Hauptrollen hat, im Film aber erst nach einem Drittel das erste Mal auftaucht.

Als dritter Name erscheint "Charles During", der Waring Hudsucker spielt. Da er seit 1964 immer nur geschauspielert hat, drehte er schon über 100 TV- und Kinofilme und ist auch in mehreren Serien aufgetreten. Obwohl er erst sehr spät mit der Schauspielerei begann, er wurde nämlich 1923 geboren, und war bei seinem ersten Film immerhin schon 40 Jahre alt. Bei so vielen Filmen lohnt es sich immer die eventuellen Auszeichnungen (Awards) anzuschauen, die der Schauspieler bekommen hat, denn dadurch steigt seine Popularität gewaltig. Charles Durnham, wie er richtig heißt, war z.B. schon zweimal für den Oscar nominiert, auch wenn er ihn nicht gewann, zuletzt 1984 für "To Be or Not to Be". Auch für den Emmy war er nominiert, und gewonnen hat er bereits den Golden Globe. In "Hudsucker" spielt er den Chef des Konzerns, der aus dem Fenster eines Wolkenkratzers springt, ein kurzer Auftritt, aber er ist wichtig für den Verlauf des Films. Da er bis zu seinem Sprung nichts sagt ist der Gesichtsausdruck in seinen Szenen sehr wichtig, und der ist überzeugend.

Er spielt auch eine kleine Nebenrolle in "I.Q." von 1994, in dem Tim Robbins die Hauptrolle spielt, ein Zufall?

Danach folgt "Paul Newman" im Titel- Credit, was hier besonders auffällt, hinter seinem Namen steht: as Sidney J. Mussburger, den er verkörpert. Er ist der Einzige, bei dem der Filmname im Titel- Credit geschrieben steht. Dadurch erscheint er dem Zuschauer als besonders wichtig, obwohl er nicht die Hauptrolle spielt und auch sonst erst als vierter Schauspieler aufgeführt wird. Bei ihm kann man von einem richtigen Hollywood-Star reden. Er wurde 1925 geboren und seine Karriere begann bereits um 1950. Er hatte Gastauftritte in Serien und spielte in vielen Kinofilmen mit, ab Ende der 60er begann er auch als Produzent und Autor tätig zu werden. Vor "Hudsucker" spielte er 1990 in "Mr. & Mrs. Bridge" mit. Drei Jahre dauerte es danach, bis Paul Newman wieder in einen Film mitwirkte. Sein können spiegelt sich auch in den vielen Auszeichnungen wieder, die er gewonnen hat. Er hat sowohl mehrere Golden Globes bekommen, war für den Emmy nominiert, hat einen Award in Cannes gewonnen und unzählige unbekanntere Auszeichnungen, er gewann sogar den Silbernen Bären in Berlin allerdings erst für "Nobody`s Fool" von 1994 und war 9 Mal für den Oscar nominiert (die größte Auszeichnung für einen Schauspieler), auch wenn er nur einmal gewinnen konnte mit "Die Farbe des Geldes" (original: The color of money) von 1986. In diesem Film spielt er jedoch eine ähnliche Rolle, wie in "Hudsucker", einen fiesen und hinterhältigen Intriganten, dem nur sein Erfolg wichtig ist. Diesen Charakter spielt er sehr überzeugend.

Paul Newman ist zweifellos der größte Star unter den Schauspielern in "Hudsucker", was zum Einen dadurch klar wird, dass sein Filmname als einziger im Titel-Credit erscheint, und zum Anderen, dass nach seinem Namen zwei Schauspieler gleichzeitig aufgeführt werden, jeweils zweimal. Allerdings so schnell, dass man die Namen nur wahrnimmt und nicht liest. Danach endet der Titel-Credit mit dem Wechsel von Nachthimmel und ruhiger Musik, zu hellem Tag und frischer Musik.

Im Allgemeinen kann man also sagen, dass allein der Titel- Credit dem Zuschauer eine Menge verraten kann, so z.B. wer die Hauptrolle spielt, welche Schauspieler noch eine tragende Rolle spielen und in welchem Genre dieser Film spielt. Für "Hudsucker", in dem der Titel- Credit 38 Sekunden lang dauert und die Aufmerksamkeit des Zuschauers allein auf die Namen der Schauspieler gerichtet wird, muß man sagen, dass die Schauspieler richtig besetzt wurden, sowohl die Hauptrolle mit Tim Robbins, als auch die Nebenrollen mit Jennifer Jason Leight, Paul Newman und Charles During. In diesem Film wurde nicht auf einen Star gesetzt, der die Zuschauer ins Kino ziehen sollte, sondern auf mehrere, die aber alle sehr gut zur Geltung kommen, so dass die Erwartungen, die jeder einzelne Zuschauer von seinem persönlichen Star hat, erfüllt werden.

Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass in diesen Film auch viele Zuschauer gegangen sind, weil die Brüder Coen das Drehbuch geschrieben und Regie geführt haben. Ihr Name steht nämlich auch für bestimmte Erwartungen bei dem Zuschauer. Sie übernehmen nicht nur die Regie, sondern schreiben ihre Filme auch selbst. Sie sind bekannt für skurrile Komödien. Für "Hudsucker" hatten sie zum ersten Mal ein richtiges Budget zu Verfügung. Und 1996 hatten sie mit Fargo den Durchbruch. Es fällt auch auf, dass John Goodman und Steve Buscemi in mehreren Filmen der Coen Brüder in ganz kleinen Rollen mitspielen, so auch in "Hudsucker". Der Zuschauer weiß also, was er von einem Coen- Film erwarten kann und "Hudsucker" wird diesen Erwartungen gerecht!

Einführung der Hauptfigur Norville Barnes in Sequenz 1 (bp)

In diesem Teil der Sequenzanalyse werde ich genauer untersuchen, wie Norville in Sequenz 1 dargestellt wird. Die betrachteten Szenen sind in einer Parallelmontage mit denen der Bilanz-Konferenz verbunden, auf deren Zusammenspiel später noch eingegangen werden soll.

Nach dem Titel-Credit (0.2) beginnt die Sequenz 1 mit der Subsequenz 1.1. Ein Bus erscheint zuerst in der Totalen im Bild, fährt in einem Bogen auf die Kamera zu, bis die Fahrtanzeige "Muncie-N.Y." an der Front des Busses in Nahaufnahme zu sehen ist. In der nächsten Szene werden Taschen vor dem Bus abgestellt und als letztes kommt ein Koffer mit Aufkleber von rechts ins Bild. In der Detailaufnahme kann man auf dem Aufkleber "Muncie College of Business Administration" lesen.

Bis hierhin hat man nun zwar schon einige Informationen, nur man weiß noch nicht, zu wem sie gehören. Das bleibt auch weiterhin unklar, solange der Koffer in der Hand eines nach links gehenden Mannes frontal verfolgt wird. Der Koffer wird abgestellt und der Mann dreht sich nach vorn, so dass er von den Füßen bis zum Knie zu sehen ist. In der nächsten Einstellung erkennt man das nach oben blickende Gesicht als das von Norville Barnes aus Sequenz 0.1 wieder, der auf etwas schräg oben sieht.

Sein Blick wird von der Kamera verfolgt, so dass nun an einem Gebäude der Schriftzug "Nidus Employment Agency" und etwas kleiner darunter "Job Board" aus der Untersicht zu lesen ist. Es wird nach unten geschwenkt, und der Vorhang vor den in drei Spalten eingeteilten Stellenangebotstafeln öffnet sich mit einem Summton. Die Tafeln beginnen mit einem langsamen, leisen Klappergeräusch umzuschlagen. In dieser Aufnahme durchqueren zwei Personen Norvilles Blickfeld, so dass seine Position auf dem Fußweg verdeutlicht wird.

Die nächsten Einstellungen zeigen immer im Wechsel Norville und dann die Sache auf den Tafeln, der er seine besondere Aufmerksamkeit schenkt.

So ist er erst nah aufgenommen, seine Augen gehen hin und her, und er strahlt über das ganze Gesicht. Von beiden Seiten gesellt sich jeweils ein Mann dazu. Das folgende Bild zeigt den oberen Teil der Tafeln, die fast alle ständig klappern, und die Kamera geht dann weiter runter. Aus Norvilles Perspektive könnte man dieses Bild als den Gesamteindruck der Möglichkeiten bezeichnen. Ohne dass seine Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes gerichtet ist, vermittelt die gezeigte Vielfalt ihm anscheinend einen beruhigenden und beglückenden Eindruck, den man in der nächsten Aufnahme von seinem strahlenden Gesicht ablesen kann. Er steckt sozusagen noch voller Zuversicht und Hoffnung. Um zu zeigen, dass Norville einer von vielen Arbeitsuchenden ist, kommen jetzt vier weitere Männer hinzu.

Nun wird von der Mitte der gesamten Stellenangebotstafel geschnitten zu einer Detailaufnahme, die nur zwei Berufsbezeichnungen zeigt, woraufhin ein Mann die Gruppe der Wartenden verläßt. Jetzt sind in Norvilles Gesicht schon erste Anzeichen von Verunsicherung zu erkennen. Er wechselt zwischen einem verlegenen Lächeln und einem etwas verdatterten Gesichtsausdruck. Mit Bezug auf die vorangegangene Einstellung kann man vermuten, dass Norville bei genauerer Betrachtung das ein oder andere Angebot für sich aus der gesamten Vielfalt ausschliessen muß. Ihm scheint die Möglichkeit einer erfolglosen Jobsuche langsam bewußt zu werden.

Im folgenden verläßt immer einer der Wartenden, zu denen Norville noch unverändert gehört, vorne rechts das Bild als Reaktion auf ein neu erschienenes Angebot auf der Tafel. Die Aufnahmen der Tafel werden dabei immer kleiner und geben immer weniger Informationen. So erscheinen beim ersten Mal zusammen mit zwei Berufen die geforderten Erfahrungen, beim zweiten Mal nur noch zwei schlichte Angebote und in der dritten Tafel-Einstellung nur noch eine einzelne Stelle als "Business Executive".

Während der letzten Einstellung beginnt ein neues Motiv in der Musik, das Norvilles Entsetzen und seine innere Anspannung widerspiegelt, und das Lächeln aus Norvilles Gesicht verschwindet. Von der Detailaufnahme der Berufsbezeichnung schwenkt die Kamera schnell nach rechts auf den Zusatz der gewünschten Berufserfahrung. Zuerst richtet Norville seine Aufmerksamkeit also auf die Stelle an sich, die er eventuell als für sich geeignet betrachten könnte. Er hat jedoch schon eine böse Ahnung und mit einem kleinen Funken Hoffnung blickt er nach rechts - und, wie er geahnt hatte, wird Berufserfahrung gefordert. Da er diese nicht hat, muß er erneut eine Möglichkeit streichen. Es wird näher an Norville herangezoomt, so dass seine Enttäuschung besser einzusehen ist. Er fängt sich aber wieder und mit gemischten Gefühlen, bei denen die Angst wohl überwiegt, wagt er einen weiteren Blick auf die Tafeln.

Im Detail wird eine Stelle als "Vice President" angeboten. Danach wird Norville kurz in der Halbnahen in dem Moment gezeigt, den er zu dem Entschluss benötigt, den Blick wieder etwas nach rechts zu richten. Von der vorhergehenden Detailaufnahme folgt also wieder ein schneller Schwenk nach rechts zur Erfahrungsanforderung. Norville wird noch näher herangeholt. Er ist fassungslos, dass niemand einem Berufsanfänger wie ihm eine Chance bietet. Die Kamera geht, seinen Blick nachempfindend, drei Tafeln nach unten. Er versucht also herauszufinden, ob das denn überall der Fall ist und findet sich in dieser Annahme bestätigt. In der nächsten Einstellung gehen alle restlichen Personen ab, so dass Norville alleine ist. Über ihn werden verschiedene Forderungen von Berufserfahrung geblendet, so dass sie auf sein Gesicht einfliegen, das Klappern der Tafeln im Hintergrund wird lauter. Es spiegelt sozusagen die Panik wieder, die langsam von Norville Besitz ergreift, da er alle seine Hoffnungen enttäuscht sieht.

Bei demselben Summton wie zu Anfang schließt sich der Vorhang, der in der Aufsicht am oberen Bildrand erscheint, und Norville nimmt seinen Koffer und geht rechts ab.

Norville war die einzige Person, die die ganze Zeit vor dem "Job Board" stand. Alle anderen sind nach und nach dazugekommen und haben dann auf die verschiedenen Angebote reagiert, indem sie vorne rechts, wo sich vermutlich der Eingang der Beschäftigungsagentur befindet, das Bild verlassen haben.

Die Subsequenz 1.2 führt in die Bilanz-Konferenz der Hudsucker-Aktionäre ein. In der Subsequenz 1.3 beschäftigt sich der Film dann wieder mit Norville Barnes. Zunächst wird eine Zeitungsspalte mit Stellenangeboten gezeigt. Links steht die Berufsbezeichnung und rechts daneben die Erfahrungsforderung. Rechts fährt eine Stiftspitze die Anzeigen hinunter und die Kamera folgt dieser Bewegung, so dass der Zuschauer in den Stellensuchenden hineinversetzt wird. Die Kenntnis der Subsequenz 1.1 läßt vermuten, dass es sich hierbei wieder um Norville handelt. Diese Vermutung wird bestätigt, indem nun Norville in halbnaher Aufnahme zu sehen ist. Nachdem er die Subsequenz 1.1 vollkommen niedergeschlagen und entmutigt verlassen hatte, scheint er inzwischen wieder Mut gesammelt zu haben. Er hat sich eine Zeitung gekauft, deren Stellenanzeigen er jetzt mit wesentlich weniger Optimismus durchsieht. Er scheint jetzt, wenn überhaupt, nur noch auf ein Wunder zu hoffen. Er stützt den Kopf in seine linke Hand und blickt deprimiert hin und her. Die Kamera entfernt sich etwas und er wendet den Kopf vom Zuschauer aus gesehen kurz nach rechts, blinzelt und steckt den Stift in die Jackentasche. Er trinkt noch einen Schluck aus der Tasse und stellt sie dann weiter links auf der Zeitung ab, während sich die Kamera noch weiter bis in die Amerikanische entfernt. Diese Einstellung umfasst auch die Thekenfläche mit der daraufliegenden Zeitung.

Norville greift mit rechts in die Hosentasche, sieht nach unten, stützt sich mit der linken Hand auf den Tisch und erhebt sich. Er legt drei Münzen auf den Tisch, wendet sich schon leicht nach links zum Gehen, nimmt die Hand zwar erst weg, legt sie dann aber wieder auf die Tischkante. Er schielt nach dem Geld und sieht sich um, ob ihn jemand bemerkt. Nach einem Schnitt sehen wir, rechts neben Norville stehend, wie seine Hand die kleinste der drei Münzen nimmt und verschwindet. Während seiner Collegezeit in Muncie war er vermutlich finanziell durch seine Eltern abgesichert, so dass er es gewohnt ist, ein Trinkgeld zu geben. Des Geldes, das er jetzt selber verdienen wollte, kann er sich aber noch nicht so sicher sein. Er muss folglich sparsam sein und das Trinkgeld selbst behalten, was ihm offensichtlich peinlich ist. Von der anderen Seite der Theke räumt die Hand einer anderen Person die Untertasse ab und die zweite nimmt die Tasse von der Zeitung, wo sie einen Fleck hinterlassen hat. An den Fleck wird näher heran geschnitten und die Kamera fährt kreisartig nach hinten rechts, während die Zeitung nach links aus dem Bild geweht wird.

In dieser Subsequenz befindet er sich anscheinend in einem Café, da dies ein möglicher Platz für einen Ortsfremden ist, wo er sich hinsetzen und einen Kaffee trinken kann. Das Bezahlen des Getränks und das Bimmeln von Türglöckchen im Hintergrund beim Verlassen des Ortes festigen diesen Eindruck.

In Subsequenz 1.5 kommt die Zeitung wieder von oben links ins Bild, nachdem Subsequenz 1.4 wieder der Konferenz gewidmet war. Die Kamera nähert sich Norville, der auf dem Fußweg geht. Die Zeitung landet tief an seinem rechten Bein. Norville sieht erst nach links und greift dann rechts nach ihr. In der Nahaufnahme hebt die Hand die Zeitung hoch und die Kamera folgt bis zur Großaufnahme von Norvilles Gesicht. Seinen Blick aufnehmend wird die Zeitung mit dem Fleck gezeigt, in dessen Mitte sich die Anzeige von Hudsucker Industries befindet. Hier geschieht nun also das Wunder, auf das Norville wohl in Subsequenz 1.3 gehofft hat.

Nach der Konferenzsequenz folgt die Subsequenz 1.7. Die Teile der Konferenz in dieser Subsequenz möchte ich unerwähnt lassen, um der Parallelmontage nicht vorzugreifen. Mein Augenmerk soll sich vollkommen auf Norville richten. Die Zeitung, die Norville mittlerweile doppelt gefaltet hat, wird zuerst in der Detailaufnahme gezeigt. Ein langes Autohupen unterstützt den Eindruck einer hektischen Straßenszene. Die Zeitung wird gesenkt und die Aufnahme wird größer, so dass Norville ganz von hinten zu sehen ist, als er die Straße überquert. Er wirft einen kurzen Blick an dem gegenüberliegenden Gebäude hinauf, dem die Kamera kurz folgt. Bei der Überquerung der Fahrbahn wird der verträumt wirkende Norville von einem Auto angehupt. Er springt kurz erschrocken zur Seite und setzt dann seinen Weg fort. In der nächsten Einstellung erreicht er mit einem schnellen Satz die Drehtür, um noch mit hindurch zu gelangen. In der gesamten Subsequenz wirkt er wieder beschwingter als zuvor. Die "Hudsucker"-Anzeige scheint ihm seine Hoffnung wiedergegeben zu haben. Er hat jetzt einen leicht federnden Gang und schlendert dabei sogar etwas mit den Armen.

Beim Betrachten der Szenen, in denen unser Hauptdarsteller auftritt, fallen einige Dinge besonders auf. So hebt sich Norville von seiner Umgebung ab, weil er jünger und immer einen Kopf größer ist als die restlichen Arbeitsuchenden und Passanten. Diese haben auch überwiegend einen ernsten Gesichtsausdruck, während Norville seine Gefühlsregungen zumindest in der Subsequenz 1.1 vom Gesicht abzulesen sind. Anfangs ist er sehr optimistisch, er wirkt sogar ziemlich davon überzeugt, dass er sofort einen guten Start in New York haben wird.

Sein hellbrauner Anzug kann zwar nicht als farbenfroh bezeichnet werden, aber er erscheint doch wesentlich heller als die meist dunkelbraunen, -grauen oder auch -blauen Anzüge und Mäntel der übrigen Männer und auch Frauen. Er ist außerdem einer der wenigen, die keinen Hut tragen, so dass sein wuscheliger Lockenkopf sein kindliches Aussehen noch verstärkt, und auch der einzige, der statt einer Krawatte eine Fliege trägt. Er hebt sich also für den Zuschauer deutlich von seiner Umgebung ab.

Wir erfahren in der ersten Sequenz zwar noch nicht viel über unseren Hauptdarsteller, aber wir gewinnen einen ersten Eindruck von ihm. Wir können entnehmen, dass er vermutlich gerade erst seinen Collegebesuch in der Kleinstadt Muncie in Indiana abgeschlossen hat. Er ist demnach etwa Mitte zwanzig und glaubt nun, sein Collegeabschluß sei eine gute Grundlage, um in New York Fuß zu fassen. Der Zuschauer und auch Norville erfahren ziemlich schnell, dass dieser Glaube nur Illusion ist und keinesfalls der Realität der Großstadt entspricht. Insgesamt hält man ihn wahrscheinlich für nicht besonders clever und für sehr naiv und weltfremd, aber gerade deshalb entwickelt man aus Mitleid heraus wohl eine gewisse Sympathie für ihn. Daher hofft man geradezu, dass es ihm bei Hudsucker besser ergehen möge.

Bemerkenswert ist hierbei, dass in keiner der Norville betreffenden Szenen auch nur ein einziges Wort gesprochen wird. Jegliche Information über ihn wird alleine durch die Bilder mitgeliefert.

Szenen der Konferenz in Sequenz 1 (kk)

In der Sequenz 1 wechseln sich die Szenen mit Norville und einer Konferenz ab. Im nun folgenden möchte ich die Konferenz allein betrachten und hinterfragen, was sie für eine Bedeutung für den Film und den Zuschauer hat.

Die erste Subsequenz 1.2 der Konferenz ist ab 4:51 Minuten zu sehen. Ein langer Tisch ist zu sehen (im Hintergrund eine Fensterfront), an dem ca. 16 ältere Männer sitzen, in einem dunklen Anzug und Krawatte. Zu hören ist einer von ihnen, er steht rechts am Ende des Tisches und erläutert die Erfolgsbilanzen des letzten Jahres. Die Kamera zoomt auf den Redner zu, bis man ihn in der Totalen erkennen kann. Nun folgt ein Gegenschuß und die Kamera zeigt die Situation aus Sicht der Fenster, man erkennt, dass an dem anderen Kopfende ein Mann sitzt.

In diesen 27 Sekunden, die diese Szene dauert, wird dem Zuschauer das Gefühl gegeben, dass hier etwas entscheidendes passieren wird. dass der Redner und die Erfolge des letzten Jahres hierbei nicht wichtig sind, wird dadurch klar gemacht, dass die ruhige Musik in der gleichen Lautstärke spielt, wie der Redner erzählt. Nur die Person am Kopfende fällt in der Menge auf, da sich der Redner in seine Richtung stellt und redet.

In der nächsten Konferenzszene 1.4 der Sequenz 1 wird wieder die Kamera auf den Redner gerichtet und er wird bis in die Halbtotale gezoomt. Dann folgt wieder der Gegenschuß auf den Mann am Kopfende, auch er wird herangezoomt, bis man ihn in der Nahaufnahme genau erkennen kann. Nun zoomt die Kamera auf das Fenster, auf das der Mann anscheinend schaut.

Diese Szene dauert schon 29 Sekunden und läßt den Zuschauer wissen, dass der Mann am Kopfende der Vorsitzende dieser Konferenz sein muß. Er trägt einen schwarzen Nadelstreifenanzug mit Krawatte, hat weiße Haare und eine Brille. Er scheint sich auch nicht für das Gesagte des Redners zu interessieren, obwohl er es doch sollte, wenn er der Chef ist. Alle anderen Männer hören hingegen genau zu. Aus dem Gesicht des Mannes ist abzulesen, dass ihm gerade etwas eingefallen ist, wie er so aus dem Fenster guckt oder guckte er das Fenster an?

Diese Frage wird erst in Subsequenz 1.6 beantwortet, die dritte Szene der Konferenz. Sie dauert schon 1: 25 Minuten. Als letztes sah man das Fenster, jetzt wird mit dem Blick auf das Fenster diese Szene begonnen, damit der Zuschauer sofort weiß, wo er sich befindet.

Danach wird der Mann am Kopfende gezeigt und bis zur Großaufnahme gezoomt. Sein Gesichtsausdruck ist klar zu erkennen. Er scheint eine Idee zu haben. Die Kamera macht einen Schnitt auf den Redner, der nun auch in Nahaufnahme zu sehen ist, man sieht z.B. dass er eine Fliege trägt. Er ist nun auch besser zu verstehen, da die Musik leiser wird. Man sieht den Mann, er holt eine silberne Taschenuhr herraus. Wieder Schnitt auf den Redner, der jetzt auf die Taschenuhr reagiert und seinen Überblick des vergangenen Jahres mit einem Witz beendet. Worauf hin alle Männer am Tisch zu lachen beginnen, nur der Vorsitzende reagiert nicht auf den Witz. Der Zuschauer wartet nun gespannt, was passieren wird, denn die Musik ist ganz weg und niemand redet, es herrscht eine abwartende Stimmung. Diese wird noch verstärkt durch das Ticken der Uhr, die zuerst auf den Tisch gelegt und jetzt in Detailaufnahme gezeigt wird. Der lange Tisch wird gezeigt und dann das Gesicht des Mannes, er scheint nicht gewillt zu sein, etwas zu sagen. Er räuspert sich, schaut noch mal den Tisch entlang, doch auch die anderen Männer scheinen auf etwas zu warten. Nun erhebt sich der Vorsitzende, zieht einen letzten Zug aus der Zigarre, bevor er sie ablegt. Ein Schnitt in die Supertotale folgt, in der man den ganzen Raum sieht.

Der Vorsitzende steigt auf den Stuhl, um auf den Tisch zu kommen, die Musik setzt wieder ein. Nochmal ein Schnitt den Tisch entlang, die Männer scheinen erstaunt. Der Vorsitzende setzt einen Fuß vor. Jetzt fragt der Vorderste Mann in der linken Reihe: "Mr. Hudsucker?"

Nun weiß der Zuschauer bescheid, er hat zwar geahnt, dass der Mann am Kopfende der Vorsitzende ist, jetzt erhält er aber die Bestätigung dafür. Da der Film so heißt, ist nun auch klar, dass hier eine Schlüsselstelle für die ganze Handlung des Films kommen wird. Durch das ewige Abwechseln von Schuß und Gegenschuß mit der Kamera, wird ein Spannungsbogen aufgebaut, dem der Zuschauer nicht entkommen kann. Er ahnt, dass etwas passieren wird, mit dem keiner der Männer am Tisch rechnen wird. Das Ticken der Uhr, als einziger Ton ab Mitte der Szene, verstärkt das Gefühl der Spannung im Zuschauer.

Und er soll Recht behalten mit seinem Gefühl. In der nächsten Subsequenz 1.7 sieht man die Uhr, in wenigen Sekunden ist es zwölf Uhr. Waring Hudsucker läuft los.

Und in der nächsten Szene der Subsequenz 1.7, springt er mit dem Gongschlag, dass es Zwölf ist, aus dem Fenster. Der Zuschauer ist geschockt, und die Spannung hat ihren Höhepunkt mit dem Durchbrechen des Fensters zusammen mit dem Gongschlag erreicht. Doch der Zuschauer kann sich danach noch nicht beruhigen, da der Fall von Hudsucker sehr ausführlich und fast lustig gezeigt wird, er dauert 30 Sekunden lang.. Engelsgesang setzt ein, so wie Hudsucker das Fenster durchbricht. Man sieht Hudsucker auf die Kamera zufliegen und danach folgt ein Schnitt auf den langen Weg, den er noch vor sich hat. Aus dem Büro einer Sekretärin, die das Fenster auf hat, sieht man Hudsucker vorbei fliegen, die Frau bemerkt ihn allerdings nicht, obwohl ihre Blätter durch den Luftzug durcheinander geraten. Hudsucker fliegt auf die Kamera zu und überholt sie. Auch in diesem langen Flug wird abwechselnd Schuß und Gegenschuß benutzt, um dem Zuschauer zum Einen den Weg zum Boden aufzuzeigen, und zum Anderen die Gefühle von Hudsucker auf den Weg nach Unten. Man sieht Hudsucker, wie er sich eine Braue streicht. Und gleich darauf, wie sich zwei Frauen auf der Straße aus Angst umarmen, da es für den Zuschauer scheint, als würde er direkt auf sie zu fliegen, dass Gefühl wird noch verstärkt, indem Hudsucker mit den Händen rudert, damit er Platz bekommt. Den Aufprall von Hudsucker kann man nur anhand des lauten Klatschens erahnen und hofft, dass er keinen getroffen hat. Danach sieht man eine dicke Frau, die laut Schreit. Das erscheint so komisch, dass man den Tod von Waring Hudsucker nicht bedauert oder traurig deswegen ist. Damit endet die Sequenz 1.

Untersucht man also die Konferenz allein, ohne zu beachten, dass sie durch Subsequenzen mit Norville unterbrochen wird, so muß man feststellen, dass die Szenen eine Zeit von 2:28 Minuten in Anspruch nehmen (ohne den Sprung), für den Film jedoch die entscheidende Richtung geben. Mit dem Selbstmord von Waring Hudsucker werden eine Menge neuer Fragen aufgeworfen im Zuschauer.

Die Konferenz wird nicht nur durch die Schnittechnik (Montage) auf einen Höhepunkt geführt, sondern auch durch die (fehlende) Musik und den Ton (das Ticken der Uhr).

Und sogar im Aufbau der einzelnen Subsequenzen in der Länge der Zeit ist dies zu erkennen.

Die einzelnen Subsequenzen dauern immer länger an, um plötzlich in wenigen Sekunden zu enden. Doch da diese Subsequenzen so wichtig sind für den Fortgang der Geschichte, möchte ich behaupten, dass hier auch ein Fehler im Film vorliegt. In der Subsequenz der Konferenz scheint es so, als ob Waring Hudsucker soeben eine Erleuchtung hatte, und sich ganz plötzlich dazu entschließt, aus dem Fenster zu springen. Im Verlauf des Films wird jedoch klar, dass er seinen Selbstmord schon lange geplant hat. Da er den blauen Brief schließlich schon vorher geschrieben haben muss;. Das paßt meiner Meinung nach nicht zusammen.

Parallelmontage zwischen Norville und Hudsucker in Sequenz 1 (sb)

Die erste Sequenz des Films zieht einen Großteil ihrer Wirkung aus dem ständigen Wechsel zwischen den Szenen, in denen Norville präsentiert und vorgestellt wird, und denen, in denen der Fenstersprung Hudsuckers in der Aktionärskonferenz vorbereitet wird. Während sich unten auf der Straße Norville auf der Suche nach Arbeit seiner zunehmenden Depression hingibt, zeigt sich in der Chefetage des gigantischen Hudsucker-Konzerns die etablierte Führungsspitze.

Dabei ergeben sich natürlich zuerst starke Kontraste zwischen den Hauptcharakteren, die jedoch mehr und mehr den bevorstehenden Wechsel von Hudsucker zu Norville an der Spitze des Konzerns einleiten.

In beiden Handlungssträngen treten diese zwei Persönlichkeiten klar aus ihrem Umfeld hervor. In dem ersten versucht die Kamera in jeder Einstellung, in der Menschen gezeigt werden, Norville im Mittelpunkt des Bildes zu halten. Selbst in der Szene vor der Job-Tafel (Subsequenz 1.1) bildet er stets den Mittelpunkt der sich versammelnden Arbeitssuchenden. Als einziger wirklicher Charakter unter den merklich gesichtslosen neben ihm auftretenden Personen bildet er auch inhaltlich den Mittelpunkt der Erzählung.

Am zweiten Handlungsort tritt Hudsucker durch seine herausragende Sitzposition am Ende des langen Konferenztisches in den Vordergrund. Dies symbolisiert seine Macht über den Rest des Konzerns. In einer Szene genügt bereits ein Räuspern von ihm um unter den anderen Konferenzteilnehmern für völlige Stille zu sorgen. Die Kamera unterstützt dies während der Konferenzszenen stets durch eine feste Bewegungsachse längs des Tisches, die nur ihn und das Fenster in den Mittelpunkt zu stellen erlaubt.

Norville übernimmt in diesem Teil den lustigen, naiven und dadurch auch zu märchenhaftem Unrealismus neigenden Part, was unter anderem die ihm schicksalhaft nachfliegende Zeitung in Subsequenz 1.5 belegt. Er gibt trotz seiner Sprachlosigkeit dem Zuschauer die Möglichkeit der direkten Identifikation durch seine geradezu klassische Charaktermischung aus Glücksritter und Tollpatsch. Er zeigt sich für den Betrachter völlig offen und ohne Geheimnisse und bietet so die Möglichkeit die Dinge durch seine Augen mitzuerleben.

Bei der Konferenz fällt die Identifikation dagegen sicherlich schwieriger. Die Aussagen des Redners sind wenig selbsterklärend, das meiste davon wird den Wirtschaftslaien gar nicht erst interessieren, so dass der Zuschauer eher dazu gedrängt wird sich mit der Szene selbst als mit den gesprochenen Worten zu beschäftigen. Teilweise wird die Rede durch Musik überdeckt und an einer Stelle benutzt der Redner auch die tabuisierende Floskel "Über Subfranchising muss man kein Wort mehr verlieren", verbietet es damit also praktisch dem Zuschauer die Rede zu hinterfragen, sich mit dem Inhalt genauer zu beschäftigen. Auch hierfür bietet die Kameraposition wieder einen Anhaltspunkt, da ihre feste Achse den Redner stets nur neben das im Bild zentrierte Fenster stellt. Die Rede (und damit auch der Redner) ist also eher als Mittel zur Vorstellung Hudsuckers, des Konzerns und der Aktionäre zu verstehen, als dass sie wirklich eine Bedeutung für die Handlung hätte.

Auffällig ist hier jedoch Waring Hudsucker, der für den Zuschauer praktisch ein Rätsel bleibt. Sein Gesichtsausdruck ist fast durchweg nichtssagend, teilweise ein wenig entrückt, so dass der Zuschauer hier keinen direkten Angriffspunkt für eine Identifikation findet und seine Handlungen zu diesem Zeitpunkt unverständlich bleiben.

Hier zeigt sich also ein ständiger Wechsel zwischen einer Person, die dem Zuschauer sympatisch ist, mit der er mitfühlt, und einer solchen, mit der er eigentlich nichts anfangen kann, die sich seiner Interpretation entzieht. Diese beiden Personen treffen durch den Parallelschnitt direkt aufeinander. Hudsucker hat es bis an die Spitze eines gut laufenden Konzerns geschafft, Norville dagegen beginnt erst ganz unten. Dies zeigt sich natürlich auch in der örtlichen Distanz zwischen beiden. Hudsucker sitzt ganz oben in den obersten Etagen eines gigantischen Bauwerks und Norville begegnet uns nur ganz unten auf den Straßen New Yorks.

Aus der Falldauer Hudsuckers am Ende dieser Sequenz, die den Sprung praktischerweise in zwei Uhrendarstellungen einschließt, ergibt sich dabei ein Höhenunterschied von etwa 2-3 Km, das wären großzügig gerechnet immer noch weit über 500 Stockwerke. Ob das realistisch ist, sei beim Blick aus dem Fenster des Konferenzraumes einmal dahingestellt, jedenfalls wird mit diesem Höhenmotiv im weiteren Filmverlauf noch öfter gespielt, als Beispiel seien hier nur einige Fahrstuhlszenen erwähnt.

Doch gerade durch die starke Hervorhebung der Kontraste zwischen beiden kommen sie sich ganz bewusst und wohl auch gewollt näher als es den offensichtlichen Anschein hat. In den Parallelschnitten stellt sich für den Zuschauer die Frage nach der Beziehung zwischen beiden Charakteren.

Die Schnitte zwischen den beiden Handlungsorten werden insbesondere nach den Konferenzszenen gezielt vorbereitet. So zum Beispiel am Ende der Subsequenz 1.4, wo die Kamera sich langsam auf das große Fenster im Konferenzraum zu bewegt. Der Zuschauer hat bereits erfahren, wer ihn da draußen erwartet, dass Norville dort unten auf der Straße sein Glück sucht. Und da die Kamera in dieser Szene aus der Perspektive Hudsuckers filmt, wirkt es fast so, als würde Hudsucker ebenfalls Norville auf der Straße beobachten, dessen Aufstieg er ja im folgenden Verlauf auch selbst vorbereiten wird.

Auch der Ton wird zur Schnittvorbereitung und -überbrückung genutzt. So ist am Ende der Subsequenz 1.1 bereits die Stimme des Redners in der Konferenz zu vernehmen, während das Bild erst danach langsam übergeblendet wird.

Die Musik während der Konferenz unterscheidet sich von der in den Norville-Szenen, letztere ist gerade in der ersten Subsequenz wesentlich verspielter und verwendet mehr Instrumente um Norvilles Gefühlsschwankungen darzustellen. In der Konferenz dagegen dominiert ein langsames, beinahe eintöniges Auf und Ab weniger Instrumente. Während der Kamerafahrt hin zu Hudsucker am Ende der zweiten Subsequenz wird die Musik dann ein wenig reichhaltiger und bereitet damit schon wieder den Schnitt zu Norville vor.

Im Anschluss an einen erfolgten Schnitt zwischen beiden Personen wird dem Zuschauer stets die Möglichkeit geboten sich zu orientieren (eine Art "establishing shot"). Dies erfolgt in den seltensten Fällen durch direkte Blende auf die Person, sondern meistens durch eine gezielt angewendete Symbolik. So endet die Subsequenz 1.1 mit Norvilles Weggang von der Job-Tafel, deren einzelne Einträge links eine Berufsbezeichnung und rechts die Bemerkung enthalten, dass Berufserfahrung erwünscht ist. Diese Tafel wurde ausgiebig in mehreren Einstellungen gezeigt und ist dem Zuschauer also bekannt. Die nächste Szene mit Norville (Subsequenz 1.3) beginnt mit der eigentlich unpersönlichen Großaufnahme einer Zeitungsseite mit Stellenanzeigen. Diese beinhalten jedoch links die Berufsbezeichnung und rechts die Forderung nach Berufserfahrung. Dies ist erkennbar ein kleines Abbild der Job-Tafel aus der vorletzten Subsequenz, also weiß der Zuschauer sofort um welche Person es sich in dieser Szene handelt.

Ein weiteres einfaches Beispiel ist Subsequenz 1.7, deren einleitender Schnitt praktisch zeitgleich mit dem Erschallen einer Autohupe erfolgt. Ein eindeutiges Signal, dass sich die Handlung wieder der Straße und damit der Handlungszone Norvilles zuwendet. Weitere Beispiele sind das Fenster im Konferenzraum, aus dem am Ende von Subsequenz 1.4 heraus- und am Anfang von 1.6 wieder hineingeblendet wird. Des weiteren die Norville nachfliegende Zeitung, die am Ende der Subsequenz 1.3 aus dem Bild geweht wird und nach der folgenden Konferenzszene praktisch aus der Kamera heraus wieder hinter Norville herfliegt. Untermalend greift hier ein Windgeräusch ein, das ebenfalls am Ende der Subsequenz 1.3 zu hören ist und das, indem es sich sozusagen aus der weiterlaufenden Musik herausschält, zeitgleich mit dem Schnitt zum Anfang der Subsequenz 1.5 wieder die Rückkehr zu Norville einleitet.

Auch die Taschenuhr Hudsuckers wird in dieser Art benutzt, indem sie in einer auffälligen Detailaufnahme auf den Tisch gelegt und am Anfang einer folgenden Konferenz-Szene wieder aus exakt der gleichen Kameraperspektive gezeigt wird. Mit diesen größtenteils eher unauffälligen Anhaltspunkten wird es dem Betrachter sehr einfach gemacht sich an den ständig wechselnden Schauplätzen zurecht zu finden.

Die im Film auftretenden Uhren haben noch eine besondere Bedeutung, auch für die Handlung. Ziffernblätter haben eine runde Form und der Kreis ist nunmal für Norvilles Erfolg im weiteren Filmverlauf sehr wichtig, da er die Form des Hoola-Hoop-Reifens bestimmt, den Norville in den späteren Sequenzen erfinden wird ("Das ist für Kinder...") Bereits in der Erzählersequenz wird die große Uhr am Hudsuckergebäude vorgestellt, unter der am Ende des betrachteten Filmausschnittes der Fenstersprung Hudsuckers stattfindet. Auch Norville begegnet dem Zuschauer in der Anfangssequenz zuerst direkt bei dieser Uhr. Wie bei Hudsuckers Taschenuhr am Ende der Sequenz 1 bewegen sich die Zeiger der großen Turmuhr dabei unaufhaltsam auf zwölf Uhr zu. Dies stellt eine auffällige Parallele zwischen der Darstellung beider Charaktere dar, die auch wieder die Frage nach dem anfänglichen Verbleib Norvilles am Ende der Erzählersequenz aufwirft.

Überhaupt werden beide Personen in einer Weise präsentiert, die den Zuschauer bereits auf die bevorstehende Ablösung Hudsuckers durch Norville vorbereitet. Beginnt die Sequenz mit einer langen Vorstellung Norvilles (Subsequenz 1.1, 94 Sekunden), so folgt darauf eine vergleichsweise kurze Szene in der Konferenz (1.2, 27 Sekunden), in der dem Zuschauer in aller Kürze Waring Hudsucker gezeigt wird. Dieses Verhältnis kehrt sich im folgenden Verlauf um, die Szenen mit Norville werden kürzer und die Konferenzszenen gewinnen am Bedeutung. Dies ist insofern naheliegend, als Norville nun dem Zuschauer zur Genüge bekannt und in seiner Art auch bereits vertraut ist, Hudsucker aber derjenige ist, der letztendlich mit seinem Sprung den Auslöser für das weitere Geschehen bildet. Den Höhepunkt dieses Verlaufes kennzeichnen die Subsequenzen 1.5 und 1.6 mit nur 17 Sekunden Norville und immerhin 85 Sekunden aus der Konferenz.

In diesem Übergang beginnen Hudsucker und Norville sich in gewisser Weise aufeinander zu zu bewegen. Nach Norvilles bis dahin erfolgloser Jobsuche, nach der wir ihn schließlich niedergeschlagen in einem Cafe wiedertreffen, hebt sich wundersamerweise durch den Kafferand seines Bechers die Anzeige von Hudsucker Industries in der Zeitung hervor, die seinen Weg in die Firma begründen wird. Beim Verlassen des Lokals weht diese Zeitung ihm hinterher und nach dem darauf folgenden Schnitt zurück in die Konferenz beginnt Hudsucker nun merklich das Interesse an den Ausführungen des Redners zu verlieren. Betrachtet man dabei einmal genauer die Mimik Hudsuckers, so könnte der Eindruck entstehen, als würde er Norville auf der Straße beobachten und sich dann zu seinem eigenen Abtreten entschließen. Bei dem Blick aus dem Fenster wirken seine Gesichtszüge entspannt und er selbst dabei verträumt und völlig abwesend. Nachdem nun wieder eine Szene mit Norville eingeschoben wurde, in der er bezeichnenderweise in der Zeitung eben diese Stellenanzeige des Hudsuckerkonzerns findet, also quasi den Schlüssel zu seinem eigenen Aufstieg und zur Ablösung Hudsuckers, sitzt letzterer immer noch scheinbar abwesend und unverändert in seinem Sessel. Aber nun, nach Abschluss dieses Einschubes, beginnt seine Aufmerksamkeit sich wieder auf sein Umfeld zu richten. Er schaut sich ein wenig um und der Redner, dessen Stimme bis dahin weit entfernt zu sein schien und hinter der alles überdeckenden Musik zu verschwinden drohte, rückt wieder in sein Blickfeld und in das der Kamera.

In diesem Moment beendet der Redner aber bereits seinen Quartalsbericht und nun beginnt Hudsucker die schon erwähnte Taschenuhr aufzuziehen. Er legt sie auf den Tisch, steigt umständlich auf diesen hinauf und bereitet sich auf seinen Abgang vor. Nach dem Aufziehen ist das vorwärtstreibende, unnachgiebige Ticken der Uhr zu hören, das ab nun das gesamte Geschehen begleitet. Symbolisch könnte man sagen, Hudsuckers Zeit läuft ab. Selbst nach dem Schnitt auf Norville, der sich zeitgleich mit der Zeitung in der Hand dem Hudsuckergebäude nähert, ist das Ticken weiter zu vernehmen, denn die Lebenswege Hudsuckers und Norvilles haben sich ja längst ineinander verschlungen. Auch die Taschenuhr wird noch einmal in Detailansicht gezeigt, unterlegt mit der nun bedrohlich wirkenden, relativ lauten und dabei rein motivischen, einfachen Musik. Die folgenden Szenen dieser letzten Subsequenz sind sehr schnell hintereinander geschnitten, die Geschwindigkeit nimmt zu, so wie Hudsucker oben auf dem Konferenztisch Anlauf nimmt. Die Längen der ersten dieser Einstellungen beträgt zehn Sekunden und die Geschwindigkeit steigert sich bis hin zu Schnitten im Sekundentakt. Norville bewegt sich dabei stets zielstrebig mit dem Rücken zur Kamera in Richtung des Gebäudes, Hudsucker wird dagegen anfangs noch von vorne gezeigt. Beide scheinen also auf einander zu zu laufen, was ja von ihrer realen Bewegungsrichtung her auch der Fall ist, nur eben mit ein paar Hundert Metern Höhenunterschied. Die Kamera im Konferenzraum ändert dann ihren Blickwinkel, als Norville die Straße überquert hat und die Ereignisse völlig unabwendbar werden. Nun ist Hudsucker auf dem Weg zum Fenster aus der gleichen Perspektive zu sehen wie Norville vor der Drehtür, den wir hier zum letzten Mal in dieser Sequenz sehen. In exakt dem Moment, in dem Norville unten in die Drehtür hineinspringt um im Konzern sein Glück zu suchen, verlässt der Präsident Waring Hudsucker oben das Gebäude durch das Fenster, mit dem ersten Schlag der Uhr über sich. Das Ticken der Taschenuhr verstummt als die Scheibe zersplittert.

Es ist zwölf Uhr.

Zusammenfassung

Abschließend möchten wir die Funktion der von uns analysierten Sequenzen, basierend auf unseren Untersuchungsergebnissen, in den weiteren Verlauf des Films einordnen.

Auffällig ist hierbei eine formale Abtrennung der untersuchten Sequenzen von den nachfolgenden. Ist dieser Teil noch getragen von Musik zusammen mit einer stark auf Wirkung ausgerichteten Art der Darstellung, so spielt in den nachfolgenden Sequenzen die eigentliche Handlung die überwiegende Rolle. Keine der Hauptpersonen redet in den ersten beiden Sequenzen ein Wort, erst danach werden Dialoge aufgebaut in denen die handelnden Charaktere ihre Rollen ausfüllen können. In diesem Zusammenhang stellen sich die untersuchten Sequenzen als einleitender Teil des Filmes dar. Dem Zuschauer werden die wesentlichen Charaktere der Haupthandlung vorgestellt und er erhält die Möglichkeit sich in die Hauptperson Norville Barnes einzufühlen. Zugleich wird ihm der komödiale Charakter der Handlung durch das Anhäufen verschiedener unrealistischer Zufälle bewusst gemacht, z.B. beim Hinterherfliegen der Zeitung mit der Stellenanzeige oder durch die gleichzeitige, symbolhafte Ablösung Hudsuckers durch Norville.

Der betrachtete Ausschnitt bildet also durch die Einführung der Charaktere, die Einleitung der Handlung und die eindeutige Genrefestlegung ein grundlegendes Fundament für das Verständnis und die weitere Entwicklung des Films.


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Anmerkungen und Kommentare an Stefan Behnel (sub (bei) bigfoot.de). Weiteres zu und von mir auf meiner Homepage.