Ein großer Vorteil (vielleicht der größte) der weltweiten Datennetze ist die Ermöglichung einer pluralistischen Kommunikationsform, die den einseitigen Massenmedien weit überlegen ist.
Dies zeigte sich Anfang der achtziger Jahre in Frankreich beim Minitel-System, als die Ermöglichung der direkten Kommunikation zwischen Menschen zu einem der Hauptgründe für die hohe Verbreitung dieser Terminals wurde. Ursprünglich war das System, das von der Regierung kostenlos bereitgestellt wurde, für das Angebot von Dienstleistungen ausgelegt. Nebenbei konnten von den Betreibern Experimente und Analysen durchgeführt werden, die belegen sollten, wie die Benutzer mit dem neuen Medium umgingen. Da jedoch viele Besitzer eines solchen Terminals anfängliche Schwierigkeiten mit der Benutzung hatten, wurde eine Möglichkeit vorgesehen mit ihnen Kontakt aufzunehmen um ihnen bestimmte Vorgehensweisen zu erklären. Es dauerte nicht lange, bis es einzelnen gelang dieses System zu knacken und für eigene Text-Kommunikation zu mißbrauchen. Die Entwickler traten daraufhin die Flucht nach vorne an und gaben das System allgemein zum chatten frei und schon bald war der Durchbruch der messageries nicht mehr zu stoppen. Insbesondere die messageries roses, mehr oder weniger ausufernde Flirt- und Sex-Chats, fanden starken Zuspruch. Beim Minitel-System ließ sich dann auch eine Art Chat-Sucht beobachten, so soll der Rekord im unterbrechungsfreien Dauer-Chatten damals bei 74 Stunden gelegen haben und die längste Online-Zeit in einem Monat bei ganzen 520 Stunden. Begrenzt wurden diese Ausuferungen dann nur noch durch die Telefonrechnung.
Chats als direkte Text-Kommunikation zwischen mehreren Teilnehmern sind vielleicht noch am ehesten vergleichbar mit dem direkten Dialog Auge in Auge, obwohl ihnen jegliche Art von visuellem und sozialem Aspekt der Kommunikation fehlt. So wundert es wohl kaum, dass es auch Versuche gegeben hat diese fehlenden Teile nachzubilden. Beispielsweise stellte das Habitat Mitte der achtziger Jahre für Besitzer eines Modem-vernetzen Commodore C-64 ein aufwendiges Comic-Chat System dar, das auf Avatare zurückgriff. Diese künstlichen Wesen lebten in einer eigenen, vom Computer generierten Welt und hatten die Fähigkeit Emotionen des Benutzers durch einfache Mimik auszudrücken. Die Avatare konnten an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in ihrer Welt teilzuhaben. Jeder Avatar besaß ein eigenes Haus und eigene Gegenstände, mit denen er umgehen konnte, und: jeder Avatar besaß ein eigenes Leben, das, so wollten es die Programmierer, auch beendet werden konnte. Danach fand sich der Avatar dann mit seinem Kopf in der Hand in seinem Haus wieder.
Irgendwann begannen einige Benutzer diese Möglichkeit auszunutzen und ließen ihre Avatare Amok laufen. Daraufhin begann in der virtuellen Chat-Welt eine emotionsgeladene Diskussion um die Identifizierung der getöteten Avatare mit ihren Benutzern und über die moralischen und ethischen Konsequenzen dieses Vorfalls. Es wurde sogar eine eigene Religionsgemeinschaft gegründet, die Order of the Holy Walnut-Kirche, die ihren Mitgliedern das Tragen von Waffen vollständig untersagte. Und da nun ein Gesetz erlassen worden war, das das Waffen tragen innerhalb von Städten untersagte, musste es natürlich auch überwacht werden, weshalb ein Sheriff ernannt wurde.
Hier ist sehr gut der hohe Realitätsgrad zu erkennen, der virtuellen Gemeinschaften von ihren Mitgliedern oftmals beigemessen wird. Virtuelle Gemeinschaften sind dabei kein Ersatz für fehlende ''reale Realitäten'', sondern immer eine Ergänzung zum RL. Eine Ergänzung, in der viele Einschränkungen des RL nicht mehr existent sind.